19
Jul
2018

20. Juli // Hör mir auf mit Afrika

LUCA
Hör mir doch auf mit Afrika, Afrika, Afrika. Die stehen alle unterm Eiffelturm, verkaufen lange Stangen, machen Kinder verrückt mit Sachen, die kein Mensch braucht, Handy, Handy, bricht ne Welt zusammen, kein Empfang, hörst ja nix anderes mehr, kein Empfang, und heulen. Junge, Junge. Hör mir mit afrikanischem Ramsch auf.
RUTH
Hat dir Franzi doch erzählt, war se in Paris.
LUCA
Hör mir auf mit der Leier, musste ja nich hinfahren.
RUTH
Afrikaner, alle über einen Haufen.
LUCA
Wie du, jaja, is ja gut.
RUTH
Ja, wie ich. Wird dir schwarz vor Augen, wenn de mich siehst, was. Ich bin nich so wie die Frau aus Rumänien.
LUCA
Das musste ja kommen.
RUTH
Die hat nicht gelacht wie die Afrikaner, weiß ja keiner aus welchem Land, aber die Frau, da weiß man genau, woher, das hat die sofort gesagt, die hat geweint, bitterlich geweint, wenn du die Bilder siehst, die sie dir zeigt, die Kinder, die Waisenkinder aus Rumänien, geweint hat sie da in diesem großen Paris, wo sich die ganze Welt…
FRANZI
Kleine Frau ganz groß.
LUCA
Ach nee. Madame Butterfly, gib nich so an.
RUTH
Geweint hat wohl jeder, der die Frau gesehen hat, die Kinder, da gibste schnell was, und wenn es n Cent is. Da haste doch Mitleid, da so im Urlaub.
FRANZI
Und dann kommen die lustigen Afrikaner, die flinken, flotten jungen Typen, kauf dies, kauf das, wedel wedel mit den kleinen Eiffeltürmchen in allen Farben, nerv hier, nerv da.
RUTH
Geweint hat die Frau aus Rumänien, haste doch erzählt, Franzi. Hör man mal zu. Die Frau mochte wohl jeder...
FRANZI
Hat doch keinen Sinn, er hört ja eh was er will (geht).
RUTH
Sind die Schwarzen gekommen zu der Gruppe mit den Kindern aus Deutschland und haben gewarnt vor der Frau.
FRANZI (aus dem OFF)
Dann weißte, dette in Paris bist. Wenn dich ehrliche, lustige afrikanische Verkäufer vor hinterlistigen europäischen Trickdieben warnen.
RUTH
Haste das gehört. Schüler hat die ...
LUCA
Is doch alles erstunken und erlogen.
RUTH
Und dann unterschreibste bei der weinenden Frau ihre Liste und dann gibste ahnungslos noch deine Adresse, weil is ja für die armen Kinder, die armen Kinder in Rumänien, und dann haben se dich, dann schicken se dir ihre Diebe ins Haus, wenn du da in Paris Urlaub machst. Wer denkt denn schon daran. Aber dass dich diese jungen Leute aus Afrika warnen und dir sagen, passen sie auf ihre Kinder auf, die Frau da, das sind Diebe, das will doch keiner hören. Guckste mich an.
LUCA
Das is doch ne feine Welt hier is das doch. Afrika, Afrika. Hauptsache Handyempfang. Hör doch auf.
RUTH
Wer fischt denn in Afrika. Afrikanisches Sushi verkaufen die dir als japanisches Original. Wenn´s vor der Haustür nichts mehr zu angeln gibt, musste gar nich so gucken.
(Epilog)
*************

LUCA 20. Juli, wat is de Musik so schön, so schön, haste det ma jehört, de Piccolo janz allein, wenn se dir ruft … wirbeln de Trommeln bim Leuchten … am schönsten is det im Dunkeln mit de Fackeln, willste de Flöte foljen, 20. Juli is Feiertach, weeste … det is Fasnacht am Rhein, so janz allein, du une Musik, wenn de so versunkn de Piccolo nachjehst durch de schöne dunkle Welt un nur de kleene Kopplaterne leuchtet dir wat vor, wat is det, da siehste det janze Unrecht nich, da wirste wieda Mensch wirste da, bim Zapfenstreich, wat is det, fracht se, ach Zapfenstreich, det is Feuer unterm Arsch, da brennt der Schritt, nee, wat biste, det is, biste, de romantische Seele Deutschlands is det, wenn dir de Flöte ruft, verstehste, denne frachste nich, denne marschierste, eins un eins un, in Berlin wie in janz Basel um vier, och nee, hat se keen Verständnis für, machste de Aujn zu, siehste de janze Verkleidung nich, nee, wa, 20. Juli, son bisscken Trommelei und Rumjeflöte ine Nacht, nee gönnst einm och nix, als ob se eim de Widerstandshelden vom 20. Juli nicht jönnen können, hat Papa schon jesacht, de altn Kameraden, dat jibts nich mehr. Isse bim Führer ums Eck jestorbn, de Kaiserinmutter, kräht keen Hahn nach, 20. Juli, usjerechnet … haben se doch det kleene Schneiderlein ma zur Kinderjause ufm Berchhof einjeladn, denk ma an, die wär jetz och 80, 80, det is keen Alter heute, Papa könnte noch lebn … Wat hat det Mädchen anjeschrien jejn de Dummheit, krichste keen Dank dafür in det romantische Deutschland, kann ich doch sajn, tapferet Schneiderlein, ich habe sie geliebt wie meine eigene Tochter, hat der jesacht, de olle Mitterrand, stell dir det ma vor, wenn det die Merkel ma über Ben Becker, weeste, so mit Jefühl fürs Jefühl, det so wat nich noch ma passiert, aba habn se Angst vor de eijenen Leute. Soll ma der Lagerfeld de deutsche Uniform ufs Papier malen, bringste am 20. Juli wieder Schtiel nach Berlin, de Kaiserin würde de Österreicher aba ma richtich een flöten heute, de Wahrheit vorn Latz knalln, längst verjessn, verjessn, 20. Juli, so wat kannste nich verjessn. Fährt so eena vone Adel gen Engeland und lassen sen abblitzen, det jehört sich nich, wenn son feiner Herr uf Bittgang jeht, denn is denn is de braune Kacke aba janz jewaltig am Dampfn, un son Widerstand unterstützt de Welt nich jern, dafür brauchsten Hirn mit Edelmut haste da, wenn so eena sich traut un antanzt uffe Insel un sacht, det Wahnsinnshirn vom Schicklgruber muss wech, bevor der uns alle det Licht, aber den Siech üba det allet, musste dir bildlich, det haben die andern längst für sich selba, hört de Romantik uf, wennet ums Jeld jeht, dat sich det Deutschland selbst vonne Berchhof befreit, da fängt de Romantik erst richtig an, verstehste, fangn se janz fix alle ringsrum zu rechnen an, ich bete an die Macht der Liebe, det wäre nich nur möglich jewesn un für det Weitere von unsre eijene Jeschichte, denk ma erst ma, weeste, vonne Penunzen jesehen natürlich nischt von Interesse, janz jenau wie du jetz, det irre Spektakel vom D-Day un wat denn, schmeckt det jut, son Siejerbrot. Hipphipp, hurra. 20. Juli machsten Piccolo wieder hipp.


LUCA Haben se drüber abjestimmt im feinen Parlament, ma wieda wat richtich auf de Reihe kriegen, länger jeben, davon kannste nich leben. Werden alle älter, nee, älter, det war früher. Sterben alle wieda früher, in Städten noch früher, guck ma in de Lungen rin. Sauerstoff is bei uns doch Luxus pur. 100 Jahre wird kaum eina mehr, die haben sich alle kaputtjehustet mit 60, was denn, Krebs mit 50 is doch heut normal, hat doch jeder einen mit Hirntumor ina Familie, warum, darum, immer det Ohr am Puls der Zeit, jawoll, un de Bundesstraße mitten durchs Dorf, Antennen in jedn neuen Gullideckel, damit wir nischts verpassen, de janzen Häfen un Flüsse sin dicht mit Schiffen, so viel Staub putzen kannste jar nich, bei dem Feinstaub, Ruß und Reifenabrieb, de Bremserei bremst dir de Lunge aus, aber dann sagn se dir, hörnse ma uf mit Rauchen, hm, so sieht det aus, Feinstaub, nee, nee, solln se ma wat Ordentliches ine Luft blasen, nich diesen Kerosinschrott, Reifendreck, viel zu teuer noch dazu, unjesundes Geblase, blabla, haben die schon vor Jahren jesacht, die haben wat jejen Krebs, aber de Pharmaindustrie is dagegen, die wolln, dass wir richtig krank sin, is lukrativer, wenn wa fast am Krepieren sin. Wenn son Aidsfutzi wat Geniales zur Heilung jefunden hat, stürzt der mim Flugzeug ab, bevors für Otto Normalverbraucher bekannt wird, was er jefunden hat, is doch komisch, findste nich, wa, is schon öfter passiert, det is doch ma richtich komisch, Aids, das lohnt sich echt mehr, wenn wa krank sind, richtich krank is der Kreislauf des Geldes, die janze Kohle, verstehste, Junge, Junge. Spricht so mancha schneller als de denken kannst. Was, dann sin die sich ja auch ihres Lebens nich mehr sicha, wenn se die Klappe aufmachen, is doch zum Kotzen so wat. Weiß jeder Taxifahrer mehr Bescheid, aber die sin ja harmlos, verdenken sich die feinen Herrn da oben, is doch komisch, feiner Schmu-Zirkus, fein, fein. Mitten ina Wüste, Strandzone Ost, wa, allet überflutet, was ma Küste wa, det is jetzt hier unten bei uns. Landebahnen überflutet, ganze U-Bahn-Geschichte volljelaufen, Küste unbewohnbar, det Hinterland boomt, wow. Dämme überall, Monster-Schleusen, was de so allet jejen de Fluten setzen kannst, det baun se, jibt doch keene Baukrise, baunse auf n Berch, Hauptsache hoch, Hauptsache Wasserfluchzeuge, sonst kannste nich mehr landen. Echt jetzte. Endlich kehrt mal wieder Ruhe ein, wenn hier weicher Strand ist, so weit det Äuglein reicht, menschenleer. Endlich mal Sanddorn, Sandweizen, Avocado. Exotisch issa jar nix mehr, jibt´s überall detselbe Zeuchs, Sachsn-Eldorado-Avodingsda. Es wird wieder mehr jetanzt, sacht se. Wenn de dat mach nich mit Beachvolleyball verwechselst. Sandcityparty, Dünenfest. Hat och sin Gutes, weeste. Kannste halbnackich abhotten mit de Hottentotten, musste jar nich so kieken, is so. Glaubste nich. Kommste noch groß raus.



(aus: Berliner Fassung/Hecken.Schnitt reloaded / Monolog. Deutschland. Gestrandet nach dem großen Regen. Luca redet. Die Frauen schaufeln den Dreck weg. 1H, 4 Tänzerinnen)
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M. S. Rose

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